Eindrücke aus Pinar 2000
Ein Bericht von Gisela Kegler
Am Malecon von Havanna, März 2000
Am Tag vor unserer Konferenz hatten wir Gelegenheit, in Begleitung von Blanca Isabell, einer Dozentin der Abteilung Geographie an der Pädagogischen Hochschule, auf einem Rundgang die schöne Stadt Pinar del Rio kennenzulernen.
Als erstes wurde uns von einem cubanischen Künstler das Wandbild am Haus der Literatur erläutert, das der Düsseldorfer Maler Klaus Klinger gemeinsam mit cubanischen Malern 1992 geschaffen hatte. Inzwischen gibt es in Pinar acht große Fresken dieser Art.
Die Stadt am Rio liegt in einer landschaftlich reizvollen und abwechslungsreichen Gegend und ist ein Paradies für Naturliebhaber. Pinar erschien uns aber trotz seiner etwa 130.000 Einwohner und seiner Industrie wegen der vielen Straßenzüge mit den kleinen Einfamilienhäusern etwas "kleinstädtisch". Die Häuschen sind übrigens meistens blau gestrichen und haben vorgezogene Dächer, die von Säulen verschiedenster Art getragen werden. In diesen Holzveranden sieht man mittags und abends Menschen, die friedlich in ihren Schaukelstühlen wippen und das Treiben auf der Straße beobachten oder Domino spielen und ihre berühmten Zigarren rauchen.
Es gibt in Pinar del Rio ein Kinderkrankenhaus, ein Sanatorium, eine Tabak- und eine Likörfabrik, ein Naturkunde- und ein Historisches Museum. Sie werden durch den luxuriösen Kulturpalast Teatro Milan(s, der 1845 erbaut wurde, ergänzt.
Diese "kleinstädtische" Großstadt mit ihrer gemächlichen Atmosphäre und ihren liebenswürdigen Menschen hinterließ bei uns allen einen freundlichen Eindruck.
Habana erweckte im Vergleich mit Pinar del Rio den Eindruck einer typisch spanischen Metropole. Sie wird die "Stadt der Säulen" genannt, weil sie "die letzte Stadt ist, die Säulen in solcher Überfülle besitzt", sagte der Schriftsteller Alejo Carpentier. Ihre Altstadt erinnerte mich sehr an Barcelona. In Habana suchten wir alle wichtigen Plätze der Altstadt auf. Da ist zunächst der Parque Central mit seinen hohen Königspalmen und vielen Bänken zu nennen. Ihm gegenüber liegt das Capitolio Nacional, das bei den Cubanern nicht sehr beliebt ist, weil es sie an die Zeit ihrer Abhängigkeit von den USA erinnert. Seit 1960 ist es Sitz der Akademie der Wissenschaften.
Nicht weit von ihm entfernt befinden sich mehrere Museen: Das Revolutionsmuseum mit der berühmten Yacht "Granma" im Garten, mit der einst Fidel Castro mit einer Handvoll Revolutionäre von Mexiko kommend in Cuba gelandet ist; ferner das Museum der Schönen Künste und das Museum der Nationalen Musik. Ebenso wie der Parque Central hat uns auch der Kathedralen-Platz fasziniert. Hier sind alle Häuser ringsherum schön restauriert. Es ist erstaunlich, was sich in den vergangenen Jahren hier ereignet hat! Die fünf großen Plätze der Altstadt mit ihren historischen Gebäuden im spanischen Kolonialstil erstrahlen schon wieder im einstigen Glanz und sind natürlich Anziehungspunkt vieler Touristen. Aber es wohnen in diesem Viertel etwa 70.000 Menschen. Noch nicht allen stehen annehmbare Wohnverhältnisse zur Verfügung. Dies hofft aber der Direktor des "Meister-Planes" zur Sanierung der Altstadt, Rafael Rojas, in etwa 10 Jahren zu schaffen. Dabei muss man allerdings bedenken, dass es sich bei diesem Komplex um ein Stadtgebiet von 214 ha handelt!
Auf dem Weg durch die Altstadt gibt es unzählige Straßencafés und kleine Restaurants, wo man essen, Kaffee schlürfen – sehr schwarz und sehr süß – oder den beliebten Mojito trinken kann. So wandelten wir auf Hemingways Spuren und kehrten im Bodeguito del Medio ein, genossen unseren Mojito, aßen dazu gebackene Bananen und lauschten cubanischen Rhythmen.
Unseren Spaziergang beendeten wir am Malecon, der einstigen, etwa 6 km langen prachtvollen Uferstraße mit dem Blick auf die imposanten Befestigungsanlagen des Castillo del Morro, das sich an der engsten Stelle der Hafeneinfahrt erhebt. Von dort hat man eine wunderbare Aussicht auf das riesige Hafenbecken und die Altstadt von Habana. Der Malecon ist das heimliche Herz der Stadt: Hier treffen sich Liebespaare, hier werden Schwarzmarktgeschäfte abgeschlossen, hier wird musiziert, geangelt und gehandelt. Die Mauer des Malecon ist zum großen Teil restauriert, wie auch einige der mehrstöckigen Häuser an dieser Küstenstraße, die durch die alljährlichen Stürme heimgesucht werden: Die 10 m hohen Wellen, deren salzhaltige Gischt über die sechsspurige Straße hinweg bis zum dritten Stockwerk hinaufspritzt, haben die vielfältigen Bemühungen vergangener Jahre zur Sanierung immer wieder zunichte gemacht. "Im subtropischen Klima Cubas geht der Verfall schneller vonstatten als die Wiederherstellung – trotz größter Anstrengungen", sagte Eusebio Leal, der Historiker. Wollen wir aber optimistisch bleiben und hoffen, dass dieser Wettlauf mit den Unbilden der Natur auf die Dauer zugunsten der Erhaltung der Schönheit dieser Stadt verläuft! Wir wünschen es den Cubanern von Herzen!