Heiße Erde – Tierra Caliente
Heiße Erde – Tierra Caliente
Homosexualität, AIDS, Prostitution – Herausforderungen für Cuba
Der expandierende Tourismus hat zusammen mit anderen Faktoren (wie beispielsweise dem Dollar als attraktive Währung) unter anderem zu einem Ausbau der Vergnügungsinfrastruktur geführt. Damit einher ging eine Zunahme von Prostitution. Im landesüblichen Sprachjargon heißt diese Begleitindustrie Jineterismo. (Jinentero – Reiter / Jinentera-Reiterin), was in der Realität dem Phänomen der Prostitution entspricht, das Phänomen, welches Castro für immer zu verbannen versprochen hatte.
Ein Bericht von Corri Tigges
Liebe Frauen, liebe Leserinnen und Leser der EcoMujer-Seiten, liebe Interessierte,
Erst einmal: schön, dass Sie bzw. Du den Weg auf diese Seiten gefunden haben/hast und vielen Dank.
Ganz nach dem (schon so häufig bemühten und bereits ein wenig abgenutzten) Motto: „Besser spät als nie“, habe auch ich mich endlich einmal dazu durchgerungen, meinen vielfach versprochenen Bericht zu der EcoMujer-Reise im Frühjahr diesen Jahres in eine, wie auch immer geartete, Schriftform zu bringen. Sicherlich mit dem Ziel, diese meine Erlebnisse auf diese Weise auch Menschen nahe zu bringen, die sich, rein zufällig, nicht in meinem, eher geographisch bedingten, Umfeld bewegen.
Der Anlass, dieses schon lang gehegte Vorhaben endlich in die Tat umzusetzen, war und ist die aktuelle Fertigstellung meines Films über Kuba bzw. über die Themen, die mich im Zusammenhang mit meiner Kubareise im März diesen Jahres interessiert und beschäftigt haben.
Aus diesem Grund möchte ich diesen Bericht mit den Inhalten des Films beginnen, um im Anschluss daran etwas zu mir und meinen Motiven hinsichtlich der im Film angesprochenen Thematik zu sagen. Darüber hinaus werde ich meine persönlichen Eindrücke von dieser Reise schildern und zu guter Letzt einen informativen und faktischen Einblick bzw. Überblick zu den im Film angesprochenen Themen geben.
Der Titel des Film heißt: Heiße Erde bzw. auf Spanisch: Tierra Caliente Er beschäftigt sich mit den Themen Homosexualität, AIDS und Prostitution, als Herausforderung für Cuba. Er ist auf Mini-DV gedreht, knapp 28 Minuten lang und 2004 in Kuba (gedreht)und Deutschland (geschnitten) entstanden. Es ist ein Film von Volker Hoffmann, der nicht nur mein bester Freund ist, sondern auch Kameramann, Dokumentarfilmer und Lateinamerikaspezialist. Und von mir, die ihn von der Konzeption und der Umsetzung eines solchen Films überzeugen konnte, denn geplant war ein solches „Projekt“ vor Antritt der Reise erst einmal nicht.
Warum habe ich ein Interesse für die Themen Homosexualität, AIDS und Prostitution?
Mein eigentlicher Fokus liegt auf dem Gebiet AIDS. Da AIDS jedoch nicht unabhängig von Themen wie z.B. der Prostitution und Homosexualität und mehr noch, nicht unabhängig von einem gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Kontext zu betrachten ist, ergibt sich die Beschäftigung mit „Phänomenen“, die in einem unmittelbaren bzw. mittelbarem Zusammenhang mit der Problematik AIDS stehen. Mein persönlicher Hintergrund ist der, dass ich mich seit 1991, genauer gesagt, seit meinem eigenen HIV-positven Testergebnis als AIDS-Aktivistin engagiere. Seither arbeite ich für verschiedene Gremien und Institutionen in der AIDS-Bewegung. Seit 10 Jahren vorrangig für den Bundesverband der AIDS-Hilfen in Deutschland, der Deutschen AIDS-Hilfe e.V. mit Sitz in Berlin und setzte mich in diesem Zusammenhang insbesondere für die Belange und Interessen von Frauen ein. In den letzten Jahren hat mein Interesse für ein Engagement auf internationaler Ebene zunehmend an Bedeutung gewonnen. Nicht zuletzt durch die aktive Beteiligung an den weltweit größten Positivenvereinigungen GNP+ (Global Network of People living with HIV and AIDS) und der ICW (International Community of Women living with HIV/AIDS), die sich u.a. gegen die Diskriminierung von Menschen mit HIV und AIDS, für die Einhaltung der Menschenrechte von Menschen, die mit dem Virus leben und für eine weltweit gerechtere Verteilung des Zugangs zu Medikamenten einsetzen.
Neben dem persönlich motivierten Hintergrund ist es darüber hinaus notwendig, fundierte Fach- und Sachkenntnisse zu erarbeiten. Insbesondere vor dem Hintergrund eines Engagements auf internationalem Parkett. Das soll soviel heißen wie, dass „Betroffenheit“ alleine nicht ausreichend ist, um eine politische Arbeit hinsichtlich dieser Thematik weiter zu entwickeln und voran zu treiben. Der Serostatus macht einen eben nicht, entgegen manch polarisierter und beizeiten weit verbreiteter Ansichten, besonders schlau oder doof. Menschen mit HIV und AIDS sind insgesamt eher als ein Teil der Lösung, denn als Problem im weltweiten Kampf gegen AIDS, zu betrachten. Aber natürlich nicht um jeden Preis. Das macht, um es vorweg zu nehmen, insbesondere Kuba mit seinem Umgang mit AIDS im wahrhaftig positiven Sinne, deutlich.
Warum Kuba? Warum im Zusammenhang mit diesen Themen?
Ich habe eine unerklärbare, nicht verbalisierbare Liebe zu Kuba, vor allem zu den kubanischen Menschen. Auch wenn der Ausgangspunkt eine völlig durchorganisierte, touristische Reise 1998 mit allem, eher peinlichen, Touristen-Schnick-Schnack, war. Der Zufall hat entschieden, dass ich schon damals, in dieser Touri-Clique, nicht die einzige HIV-infizierte Frau(!) war. Das ist, statistisch gesehen schon erstaunlich, bei einer Gruppe von insgesamt 8 Deutschen, die sich alle vorher nicht kannten. Fernab von jedem linken und ideologischen Mythos in Bezug auf Che, Fidel und Sozialismus (wenngleich das meine politische Heimat ist), habe ich bereits damals entschieden: wenn ich nach Kuba zurück komme, dann nicht mehr als Touristin. Und ich war mir sicher, zurück zu kommen. Zum einen, um eine Wissenslücke zu schließen. Zum anderen, um mich aktiv an dem Prozess um die AIDS-Problematik auf Kuba zu beteiligen. Mich für ein Land und dessen Menschen zu engagieren, was ich, bei aller Kritik, für absolut erhaltens- und schützenswert erachte.
Die Idee war geboren und hat mich nicht mehr los gelassen: Wie geht ein Land, bzw. eine Insel mit der Problematik AIDS um, aus dem die Menschen nur bedingt weg kommen? Welche Probleme ergeben sich aus dem Tourismus, als mittlerweile Devisenbringer Nr. 1? Welche zunehmende Rolle spielt dabei die Prostitution? Wie behandelt Kuba Menschen mit HIV und AIDS im Rahmen eines in ganz Lateinamerika und USA vorbildlichen Gesundheitssystems? Welche Präventionsstrategien verfolgen sie?
Meine daraus erwachsene Zielformulierung hinsichtlich Kuba ist es, in den Dialog zu treten. Wie können gute Ansätze in Medizin, Gesundheit und Prävention erhalten werden? Was kann aber dennoch verbessert werden? Insbesondere in Bezug auf Tabuthemen wie Homosexualität und Prostitution? Von welchen Konzepten können wir in der westlichen Welt profitieren und welche Ansätze können wir Kuba vermitteln?
Die EcoMujer-Reise im März 2004 – Persönliche Eindrücke
Bereits 2003 wollte ich eine sogenannte Recherchereise bezüglich meiner voran formulierten Wünsche und Ziele antreten. Das ist gescheitert. Wie so oft, lag es an den nicht vorhandenen finanziellen Ressourcen. Im Februar 2004 offerierte mir dann meine Mama die Möglichkeit, indem sie mir eine Reise, mit einer, mir bis dato unbekannten Organisation, finanziert: EcoMujer! Sie hatte begriffen, dass ich keine touristischen Interessen mehr mit einer Kubareise verfolge und daher kamen mir und uns „diese Umweltfrauen“ gerade recht. Ich dachte noch, dass ich das mit meinem Gewissen gerade noch so vereinbaren kann. Schließlich assoziiert man mit Umwelt die Farbe „Grün“. Eine politisch besetze Colorisierung, die sich mit meinem Parteibuch irgendwie vereinbaren ließ, obwohl mir der Sinn dieser Mitgliedschaft schon seit längerem völlig unklar war (und ist). Diese Assoziation war selbstredend eine glatte Fehleinschätzung. Das wurde mir klar, als ich die ein oder andere Ecofrau mal nach ihrer politischen Gesinnung befragte. Aber egal. Ich dachte, Umwelt, das geht schon o.k.. Immerhin war da ja eine Passage im Selbstdarstellungs- Flyer von EcoMujer, in der es hieß, dass sie sich auch für soziale Themen und Gesundheit interessieren und engagieren. Auf die konnte ich mich ja, im Zweifels Fall, berufen oder besser gesagt zurückziehen. Aber es kam alles ganz anders.
Nach einigen Missverständnissen bezüglich der nach Kuba „einzuschleppenden“ Themen, habe ich vor Ort, in Kuba, eine Situation vorgefunden, von der ich wahrscheinlich mein Leben lang schwärmen und vor allem aber profitieren werde. Selbst, wenn ich das vergessen sollte, wird mich diese Situation in sofern begleiten, als sie einen tatsächlichen und ganz und gar realistischen Einfluss auf mein weiteres Leben genommen hat.
Aus irgendeinem Grund durfte ich zu meinen Themen reden. Aufgrund mangelnder Vorbereitung war diese Vorstellung meinerseits zwar nicht ganz so, wie ich mir einen solchen Auftritt vorgestellt hätte, vor allem dramaturgisch und rhetorisch gesehen, aber immerhin hat es dazu geführt, dass das Thema AIDS seit diesem Zeitpunkt allgegenwärtig war. Nicht nur mir wurden Besichtigungen in Sanatorien, Gespräche mit Verantwortlichen der AIDS-Zentren und mit HIV-Positiven ermöglicht. Nein, die ganze Gruppe wurde über einen Zeitraum von zwei Wochen ständig und immer wieder mit dieser Problematik konfrontiert. Es „hagelte“ Vorträge, Pressegespräche und Informationsmaterial. Unglaublich. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich war fast ein wenig überfordert und am Ende war es mir gegenüber den deutschen Eco-Frauen sogar fast ein bisschen peinlich, dass dieses Thema so eingeschlagen hatte, dass wirklich Keine und Keiner mehr daran vorbei kam. Ob sie oder er es wollte oder nicht. Das Thema AIDS wurde sozusagen verordnet.
Die Tatsache, dass sich EcoMujer schon seit vielen Jahren in Kuba engagiert und erfolgreiche Projekte, wie z.B. das Schulhofprojekt, durchführt, hat mir den Eintritt in ein inhaltliches und reales Kuba hinsichtlich meiner Themen verschafft.
EcoMujer hat mir damit sozusagen die Umsetzung meines Wunsches, ja meines vermeintlichen Ziels, ermöglicht. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle bei allen Frauen bedanken.
Durch das Engagement und das Netzwerk von EcoMujer bin ich heute in der Lage, auf eigenen Beinen zu stehen, mir eigene Netzwerke hinsichtlich meiner bevorzugten Thematik zu erschließen. Tatsächlich konnte ich in den, von mir so sehr gewünschten, Dialog treten. Durch den Einstieg über die EcoMujer-Reise konnte ich gemeinsam mit meinem Freund Volker in der letzten Woche meiner Reise das Filmprojekt realisieren und bin, wo immer ich war, freundlich und offen aufgenommen worden. Bereitwillig gaben uns die Menschen Interviews. Bis heute besteht ein intensiver Austausch über diese Themen. Vielmehr noch: aus dem einstigen Verhältnis zwischen uns, den Interviewern und den Interviewten, hat sich eine persönliche, ja sogar familiäre und sehr private Beziehung entwickelt. Nun ist es an uns, damit sensibel und verantwortlich umzugehen.