Besuch in der Hurrikan-Provinz
Pinar del Río, Kuba, im Oktober 2008. Eine Reportage von Gabriele Senft
siehe auch Veröffentlichung am 01.11.2008 in der Tageszeitung „Junge Welt“
Eine Schneise der Verwüstung haben die Wirbelstürme »Gustav« und »Ike« hinterlassen, die Zerstörungen in Kuba sind enorm. Am stärksten betroffen von der diesjährigen Hurrikan-Saison waren die Insel der Jugend und die Provinz Pinar del Río im Westen der Karibikinsel, wo Tausende Dächer abgedeckt wurden. Nach Angaben des kubanischen Landwirtschaftsministeriums sind fast 50000 Hektar Bananenplantagen, 10000 Hektar Maniok, 1000 Hektar Süßkartoffeln, 300 Hektar Samenanpflanzungen, 154 Gewächshäuser, 12000 Tabakhäuser und 138 Windräder vernichtet worden. An Verlusten wurden zudem 1,1 Millionen Liter Milch und über eine Million Stück Geflügel aufgelistet.
EU-Entwicklungshilfekommissar Louis Michel sagte bei seinem Besuch am vergangenen Wochenende Hilfe zu: Ganze zwei Millionen Euro will die Europäische Union für die Sturmopfer bereitstellen. Rekordschäden in Höhe von rund fünf Milliarden Dollar haben die Hurrikane im September laut kubanischer Regierung verursacht, fast 200000 Menschen wurden obdachlos. Es ist nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein also, der da aus Brüssel kommt, doch immerhin, es ist der Anfang einer neuen Kooperation nach Jahren der Sanktionen und Blockade. Hilfe kommt auch von unzähligen Basisaktivisten. Das binationale Projekt »EcoMujer« ruft dringend auf, die Solidarität mit den in Not geratenen Kubanerinnen und Kubanern zu stärken. »EcoMujer« steht für einen Austausch von unten zwischen Frauen aus Kuba und Deutschland, für einen Austausch zwischen Norden und Süden – und auch für praktische Unterstützung. »EcoMujer« kann sowohl mit »ökologische Frauen« als auch mit »Frauenecho« übersetzt werden. »Gemeinsam für ein neues Verständnis von Natur und Umwelt – gemeinsam über den Tag hinaus …« lautet das Leitmotiv der Organisation.
Ungeachtet der schlimmen Nachrichten aus Pinar del Río waren in diesem Monat sieben Frauen aus der BRD in die zerstörte Provinz gefahren. Sorge um Reina Rodriguez und all die anderen Mitkämpferinnen in dem sozialistischen Land sowie der Wunsch, schnell zu helfen, gaben den Ausschlag, die Reise anzutreten, die – unter ganz anderen Voraussetzungen – lange geplant war: Die deutschen Frauen der Gruppe EcoMujer, seit über 12 Jahren in gemeinsamer Verantwortung für eine gesunde Umwelt mit gleichgesinnten Kubanerinnen verbunden, wollten das 2002 begonnene und nun erfolgreich umgesetzte Schulhofprojekt an der Grundschule „Carlos Hidalgo Gato“ in Pinar del Rio bei einem Schulfest mit einweihen. Zum Glück waren die Gebäude der Schule »Carlos Hidalgo Gato« nicht so stark Hurrikan-geschädigt wie leider über 270 andere Schulen der Provinz, die komplett zerstört sind und deren Schüler zeitweilig bei Familien in Wohnzimmern unterrichtet werden. Die Dächer sind stellenweise beschädigt, und das Mittagessen muß noch provisorisch auf dem Hof zubereitet werden. Doch die über 200 Kinder können weiter in ihren Klassenräumen und in der Bibliothek lernen.
Auch die Pädagogische Hochschule von Pinar del Rio, seit 12 Jahren wiederholt Tagungsort von gemeinsamen Konferenzen für die Gruppe der deutschen und kubanischen EcoMujeres, wurde von den Wirbelstürmen betroffen, vor allem die10 Außenstellen der Institution im weiteren Umkreis der Stadt. Die deutschen Gäste halfen mit bei einem Arbeitseinsatz in der »Bioteria«, einem Minigarten mit seltenen Pflanzen, wo Glasscherben und abgebrochene Äste weggeräumt werden mußten.
Auch in einer Genossenschaft in Republica de Chile im Vinalestal legten sie mit Hand an. In Consolacion del Sur, 20 Kilometer von Pinar del Rio entfernt, ist die Hochschullehrerin Reina Rodriguez zu Hause. Die Frauen besichtigten das zweistöckige neue Haus, dem das Dach abgerissen ist, so daß der Sohn und seine schwangere Frau den Wohnraum verloren.
Vieles haben die Kubanerinnen und Kubaner bereits geleistet. Stromleitungen sind neu verlegt, Dächer repariert und zerstörte landwirtschaftliche Flächen werden neu bestellt. Doch es ist noch viel zu tun – und es braucht noch viel mehr internationale Unterstützung.
Einige Bilder der Reise finden Sie hier: Link zur Bildreportage