20 Jahre EcoMujer
Ein Blick zurück – und Blick nach vorn
Wie fing es an?
Bei Solidaritätsbrigadeaufenthalten mit der Freundschaftsgesellschaft Berlin-Cuba in Pinar del Rio von Monika(1994) und Sigrid (1995) sind die ersten Kontakte zu DozentInnen des Fachbereichs Geografie der Pädagogischen Hochschule entstanden. Sie schlugen vor gemeinsam einen internationalen Austausch zu Frauen- und Umweltfragen zu beginnen.
Monika nahm Kontakt auf zu Kristine in Düsseldorf, Sigrid sprach mit Irene in Magdeburg, so war es auch von Anfang an ein Ost/Westprojekt.
Im März1996 startete die erste gemeinsame Aktion in Pinar del Rio, das erste Seminar
„Frauen und Umwelt vor den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts „. Der inhaltliche Hintergrund für unseren Austausch waren die Konferenzen „Umwelt und Entwicklung „1992 in Rio de Janeiro und die 4. Weltfrauenkonferenz 1995 in Beijing. In Cuba gab es zu diesem Zeitpunkt schon eine viel intensivere Auseinandersetzung mit den Inhalten und Forderungen der Konferenzen, insbesondere mit der Umsetzung der agenda 21.
Zu welchen Themen haben wir gearbeitet?
Themen des ersten Seminars waren grundsätzliche Fragen:
„Rolle der Frauen in der nachhaltigen Landwirtschaft“ und „Ökofeminismus“ aber auch praxisbezogene Fragestellungen wie „Solarenergie“ und „Erfahrungen mit Ökotourismus in Cuba“. Im Abschlussdokument des Seminars wurde vereinbart alle 2 Jahre gemeinsam ein Seminar an der Pädagogischen Hochschule in Pinar zu veranstalten.
Wir formulierten den Anspruch uns auszutauschen und voneinander zu lernen und uns gemeinsam auf die Suche zu machen nach anderen Modellen von Entwicklung, Lebensweisen und Lebensstilen, die es ermöglichen die Grundbedürfnisse aller Menschen zu befriedigen.
Auf unseren folgenden Seminaren haben wir Themen eingebracht wie z.B.
Die Rolle der Frauen beim Umweltschutz und der Umwelterziehung, Umweltbildung am Beispiel der Stadt Dessau, Didaktische Prinzipien des Umweltlernens und ihre Umsetzung in schulischen Umweltprojekten, Gentechnik- eine Chance für Cuba? Energiewende- globale Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, Frauen und Gesundheit, Aids.
Beeindruckend waren auf den Seminaren immer wieder die Arbeiten der cubanischen Dozentinnen, die die Umsetzung von Theorie in die Praxis und die Zusammenarbeit der Pädagogischen Hochschule in Pinar del Rio mit Gemeinden und Kommunen für uns sehr lebendig erlebbar und nachvollziehbar machten.
Aus Theorie wurde Praxis
Die Vorstellung des Projekts „Umgestaltung des Schulhofs- ein Gemeinschaftsprojekt von Kindern, Eltern und LehrerInnen“ und der Beitrag „Die kinderfreundliche Stadt“ auf dem Seminar 2000 gaben wichtige Impulse für ein erstes kleines gemeinsames Schulhofprojekt in Pinar del Rio. Es fing mit viel Power und Engagement auf beiden Seiten an, es gab aber auch schwierige Projektphasen. Anfang 2004 konnten wir zum ersten Mal realisieren, dass Astrid als Lehrerin und seitdem begeisterte EcoMujer Frau – über mehrere Wochen im Projekt vor Ort tätig war. Es folgte im März ein „kleiner Arbeitseinsatz“ aller Seminarteilnehmerinnen.
Schwerpunkt Wasser und Blick nach Lateinamerika
Die grundlegende Bedeutung der Wasserfrage und der Kampf, den gerade Frauen um Wasser führen müssen, hatte zur Folge, dass wir für das Seminar 2006 den Schwerpunkt „Wasser“ auswählten. Zu diesem Seminar haben wir es geschafft, die Mexikanerin Ana López Sarmiento nach Cuba einzuladen, die auf dem Seminar zu Wasserproblemen in ihrem Land und ihrer Region Chalcatango ( Oaxaca) sprach. Diese Erfahrung, aber auch die Teilnahme von bolivianischen Studentinnen der Hochschule, die sich mit Arbeiten und einem Film zu den Kämpfen gegen die Privatisierung von Wasser in ihrem Land einbrachten, weckten bei uns den Wunsch, den deutsch cubanischen Austausch zu öffnen und auch Frauen aus Lateinamerika miteinzubeziehen. Die Erfahrungen der cubanischen Dozentinnen bei ihren internationalistischen Arbeitseinsätzen z.B. Mexiko und die politische Entwicklung in Lateinamerika, insbesondere in Venezuela, bestärkte uns in dieser Entscheidung.
Wir veranstalten in Kooperation mit der Gewerkschaft ver.di, Genanet, FIAN und der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) die Fachtagung „Steter Tropfen höhlt den Stein ….. Frauen im Widerstand für ein Menschenrecht auf Wasser“ im Februar 2008 in Berlin. Es kamen über 100 TeilnehmerInnen in die ver.di Bildungsstätte am Wannsee, unter den Referentinnen waren Frauen aus Cuba, Bolivien, Mexiko, Peru, Uruguay und El Salvador. Durch das Seminar konnten wir neue Kontaktmöglichkeiten
entwickeln. Wasser blieb unser Schwerpunkt. Wir vertieften unsere eigenen Kenntnisse auf Seminaren mit kundigen ExpertInnen zu den Themen „Staudamm als Beitrag zur Lösung der Wasserfrage?“, „Permakultur“und „Planspiel zur Wasserprivatisierung“. All diese Fragen flossen ein in unsere „Wasserreise“ 2012 in Cuba, wo wir gemeinsam mit unseren cubanischen Freundinnen und Maria Elena aus Bolivien und Claudia aus Kolumbien in Theorie und Praxis in Havanna und Holguin unterwegs waren. Hier konnten wir auch erfolgreich neue Arbeitsformen wie z.B. das Planspiel gegen Wasserprivatisierung gemeinsam mit den Cubanerinnen erproben.
Wir arbeiteten sehr aktiv mit an der erfolgreichen europäischen Bürgerinitiative gegen die Wasserprivatisierung. Über 1,8 Millionen Unterschriften wurden in 7 EU-Mitgliedsstaaten bis zum 11. September 2013 für die europäische Bürgerinitiative “Wasser ist ein Menschenrecht” gesammelt.
Die Cubanerinnen in Deutschland
Ab 1997 haben wir regelmäßig Cubanerinnen von der Hochschule zu Vortragsreisen nach Deutschland eingeladen. Die erste war Nancy Machín Rodriguez. Mit ihr organisierten wir neben der Rundreise auch ein Tagesseminar in Köln „Frauen und Ökologie/ Cuba aus Frauensicht“. Es folgten die Besuche von Rosa Hernández Acosta (2001), Blanca Isabel Alvarez (2003) und Minerva Candano Acosta ((2005). Die Cubanerinnen hielten Vorträge in verschieden Städten zu unterschiedlichen Themen ( Umwelt, Frauen, Bildung), besuchten Universitäten, Schulen, Kindergärten, Umwelteinrichtungen, Frauenprojekte und vieles mehr und sie lernten unser Land kennen. Sylvia referierte auf unserem Seminar in Berlin 2008 zum Thema Agrokraftstoffe. Reina berichtete auf ihrer Diskussions- und Begegnungsreise im Herbst 2014 in vielen Städten und auf zahlreichen Veranstaltungen von den effizienten und innovativen Systemen der Urbanen Agrikultur in Cuba und den erfolgreichen Methoden – die Einheit von Theorie und Praxis- in der Erziehung zu Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung.
Solidarisch mit Cuba
Zu unserem Grundverständnis gehört es, dass wir solidarisch sind mit den Menschen in Cuba. Wir unterstützen ihre Souveränität und den Willen einen eigenen, nicht-kapitalistischen Weg zu gehen.
Wir beteiligten uns an der Soli Kampagne für die „Cuban Five“, insbesondere waren wir Mitinitiatorinnen für eine Unterstützungsaktion für die Ehefrauen, denen es untersagt war, ihre Männer im Gefängnis zu besuchen.
Kurz vor unserer Reise im Herbst 2008 nach Cuba brachten die Wirbelstürme Gustav und Ike große Zerstörungen, insbesondere auch in der Provinz Pinar del Rio. Sofort begannen wir eine Spendensammlung und übergaben die Spenden direkt vor Ort.
Seit Beginn bis heute unterstützen wir unsere cubanischen EcoMujeres in ihrer Arbeit durch kleine materielle Spenden ( technische Geräte wie Computer, Kameras etc.). Selbstverständlich werden auch die Schulgartenprojekte wie zuvor das kleine Schulhofprojekt von uns mit Spenden unterstützt.
Ernährungssouveränität, Urbane Gärten und eine andere Landwirtschaft
Beim Reisen durch Cuba 2012 schlugen uns die Cubanerinnen ein Schulgartenprojekt vor, realisierbar an der Grundschule „Eberto Polanco“ in der Gemeinde Consolacion del Sur bei Pinar del Rio. So entstand 2014 auf dem 500 qm-Gelände ein Schulgarten mit Beeten für Gemüse und Kräuter und Obstbäumen nach den Prinzipien der Permakultur. Ein Regenwassertank konnte mit unserer finanziellen Unterstützung gebaut werden. Der Garten trägt zu einer besseren Nahrungsvielfalt des schulischen Mittagessens bei und ist zugleich Lernort für die involvierten Kinder, Eltern, Lehrer_innen und Student_innen. Verantwortungsvoller Umgang mit der Natur und Nachhaltigkeit: direkt erfahrbar.Die Schule kooperiert mit der Gemeinde, der Universität und 2 weiteren Schulen in Consolacion, die die Idee ebenfalls erfolgreich umsetzen.
Reina Rodriguez, Dozentin an der Pädagogischen Hochschule in Pinar del Rio, ist die engagierte Projektleiterin und maßgeblich verantwortlich für die Ausstrahlungskraft des Projekts – bereits 2014 hat es eine erste Auszeichnung gegeben.
So lag es nahe, Reina als kompetente „Botschafterin“aus Cuba zu uns nach Deutschland einzuladen. Hier wurde der Ruf nach einer anderen Landwirtschaft, eher regionaler Versorgung und die Kritik an der Massenproduktion von minderwertigen Lebensmitteln immer lauter. Zudem entstanden an vielen Orten Urbane Gärten.
Reina kam im Herbst 2014 zu einer fast 3-wöchigen Diskussions- und Begegnungsreise, die sie nach Düsseldorf, Berlin, Aachen, Bonn, Andernach und München führte. Auf zahlreichen Veranstaltungen berichtete sie von ihren Erfahrungen im schulischen und außerschulischen Bereich und von den innovativen Ansätzen in Cuba: Cuba hat in der Urbanen Agrikultur viel Erfahrung. Nachhaltige Ressourcennutzung und geschlossene Stoffkreisläufe sorgen dafür, dass in vielen Städten eine gute Versorgung der Bewohner_innen mit frischen Lebensmitteln aus städtischer Landwirtschaft möglich ist.
Reina besuchte auf ihrer Reise Schulgärten, öffentliche Gärten, Urban Gardening – Projekte, alternative Orte, berichtete und diskutierte auf vielen Veranstaltungen und lernte Institutionen und eine „essbare Stadt“ kennen. Ein sehr gelungener, interessanter und produktiver Austausch!
Im Kampf für eine andere Landwirtschaft und Ernährung hier bei uns sind wir jedes Jahr gemeinsam mit zehntausenden im Januar in Berlin auf der Strasse und demonstrieren unter dem Motto „Wir haben es satt!“
Die feministische Sichtweise
Eine feministische Sichtweise auf Umweltfragen haben wir versucht immer wieder im Austausch zu realisieren, was uns selbstkritisch nicht immer gelungen ist, aber bis heute ein wesentliches Ziel ist.
Farida Akhter aus Bangladesh 2003 auf einem Umweltkongress in Berlin: „Die Umweltbewegung glaubt, dass sie Gender- und Frauenthemen nicht gesondert behandeln muss. Ich warne davor, denn eine Umweltsicht ohne feministische Perspektive führt nicht weiter!“ Das gilt auch heute noch aus unserer Sicht.
Am 17.09.2016 ist es uns gelungen ein Seminar mit Maria Mies in Köln zu veranstalten zum Thema „Patriarchat und Kapital“. Hier waren über 30 Frauen in einem spannenden Austausch. Darüber gibt mehr zu lesen in diesem Rundbrief und unter in einem Artikel von Anja Lenkeit (https://www.choices.de/feministin-ein-schimpfwort).
Freundinnen
20 Jahre EcoMujer sind aber nicht nur 20 Jahre politische Arbeit zu Frauen und Umweltthemen gemeinsam mit den cubanischen Freundinnen und Frauen aus Lateinamerika. Was unsere Gruppe auszeichnet, ist, dass durch unsere Zusammenarbeit auch intensive persönliche Freundschaften entstanden sind – eine gute Verbindung von Politischem und Privaten. Wir haben in Cuba andere Sichtweisen auf die Welt kennengelernt, gelebte Solidarität erfahren und sehr bereichernde Erfahrungen gemacht.
Offen für Neues, weiter vernetzen
Entsprechend der agenda 21 vor 20 Jahren als wir begonnen haben, denken wir weiter antikapitalistisch global und handeln lokal und regional auf der Suche nach neuen Wegen und Lösungen und in der Umsetzung von feministischen Alternativen.
Wir werden weiter gegen Monsanto auf die Strasse gehen und uns für das Menschenrecht auf Wasser einsetzen. Wir wollen unsere cubanischen Freundinnen nach Deutschland einladen und wir unterstützen das Schulgartenprojekt und konkrete Projekte unser cubanischen EcoMujeres.
Wir suchen Mitstreiterinnen für unserer Projekt EcoMujer und vernetzen uns vor Ort und international mit Menschen, die auch auf der Suche sind nach Alternativen und begonnen haben diese gemeinsam umzusetzen.
Astrid und Monika