2023/11/16+17 Brüssel, Belgien
Tribunal gegen die US-Blockade am 16./17.11.2023 in Brüssel
Liebe Freundinnen und Freunde,
am 16. und 17. November wird in Brüssel ein „Gerichtsverfahren“ stattfinden, das seit Monaten von der Solibewegung in enger Abstimmung mit dem ICAP (Kubanisches Institut für Völkerfreundschaft) vorbereitet wird.
Dabei sitzt die US-Blockade gegen Kuba auf der Anklagebank – da, wo sie hingehört. Das Tribunal mit „Richtern“, „Anklägern“ und „Verteidigern“ untersucht die Auswirkungen der feindseligen US-Politik mit juristischen Mitteln und wird auch ein Urteil fällen.
Wir senden Euch hier ein Interview mit Prof. Dr. Norman Paech zu, der als Vorsitzender Richter das Tribunal leiten wird. Das Gespräch ist erschienen in der Zeitschrift „Mitteilungen“ der Kommunistischen Plattform in der Partei DIE LINKE (Ausgabe vom Oktober 2023). Norman Paech ist Professor für Politikwissenschaft und Öffentliches Recht. Ihr findet den Text hier: https://kpf.die-linke.de/mitteilungen/detail/us-blockade-gegen-kuba-auf-der-anklagebank/ und auf der Cuba sí-Seite: https://cuba-si.org/2755/us-blockade-gegen-kuba-auf-der-anklagebank sowie im unteren Teil dieser E-Mail.
Zeitlich reiht sich das Tribunal ein in den Zeitraum der UN-Vollversammlung in New York: Am 1. November 2023 wird dort der kubanische Außenminister einen aktualisierten Bericht vorstellen, welche Schäden durch die US-Blockade gegen Kuba, seine Menschen und Dritte seit dem vorherigen Berichtszeitraum verursacht wurden. Auf Antrag Kubas folgt dann eine Resolution, in der die internationale Staatengemeinschaft über Kubas Forderung nach einer Aufhebung der Blockade abstimmt. Das Votum dürfte – wie in den Jahren zuvor – wieder eindeutig ausfallen. https://amerika21.de/2023/10/266468/kuba-legt-blockadebericht-die-un-vor
In diesem Zeitraum im November wird die internationale Solibewegung durch verstärkte Aktionen auf den unerträglichen Fortbestand der Blockade aufmerksam machen und ihre Aufhebung ebenso fordern wie die Streichung Kubas von der US-Liste der angeblich den internationalen Terrorismus fördernden Staaten. Eine Übersicht bereits geplanter Veranstaltungen findet Ihr hier: https://www.unblock-cuba.org/veranstaltungen/
Unterstützt die bereits geplanten Veranstaltungen durch Eure Teilnahme und Mobilisierung – oder organisiert eigene Aktionen, um auf die Blockade hinzuweisen, über ihre feindseligen Auswirkungen aufzuklären und Unterschriften zu sammeln für die Kampagne „Let Cuba live“ – Eine Million Unterschriften sollen bis zum 10. Dezember (dem Internationalen Tag der Menschenrechte) zusammenkommen, in der die Streichung Kubas von der US-Liste gefordert wird. Die Unterschriftenlisten findet Ihr ebenso wie Infos zur Kampagne in den Anlagen.
In der Tradition der Russel-Tribunale
KPF-Mitteilungen: Am 16. und 17. November wird in Brüssel ein internationales Tribunal gegen die US-amerikanische Finanz-, Wirtschafts- und Handelsblockade gegen Kuba durchgeführt. Das ist ein gerichtsähnlicher Prozess mit »Richtern«, »Verteidigern« und »Anklägern«, die die Rechtmäßigkeit der Blockade prüfen werden. Als renommierter Völkerrechtler wirst Du die Funktion des Vorsitzenden Richters übernehmen. Kannst Du ein aus völkerrechtlicher Warte besonders drastisches Beispiel der Blockade nennen?
- P.: Aufgabe des Tribunals wird es sein, zum einen die unmittelbaren Folgen der Sanktionen und der über sechzig Jahre nun schon dauernden Blockade auf die Bevölkerung und das Leben in Kuba zu untersuchen. Zum anderen geht es um die sog. Drittwirkungen der Sanktionen auf andere Staaten und ihre Unternehmen, die mit Kuba Handel treiben möchten. Das Tribunal sieht sich in der Tradition der Russel-Tribunale seit dem ersten Tribunal über den Vietnam-Krieg in Stockholm und hält sich in seiner Untersuchung und Bewertung streng an das Internationale Recht, obwohl es weder die gleiche Stellung, Mittel und Macht eines offiziellen Gerichts hat. Es wäre überflüssig, wenn z.B. der Internationale Gerichtshof über die Blockade entscheiden würde.
Ich will der Verhandlung nicht vorgreifen, aber besonders schwere Auswirkungen hat die Blockade auf den Gesundheitssektor, wo gerade während der Corona-Pandemie die Entwicklung eines eigenen Impfstoffes sehr stark unter dem Ausschluss vom internationalen Markt gelitten hat. Es ist eine außerordentliche Leistung, dass dennoch ein eigener Impfstoff entwickelt wurde.
Die US-Blockade soll erklärtermaßen zu Unmut bei Kubas Bevölkerung führen und einen »Regime change« auslösen. Steht eine solche einseitige Zwangsmaßnahme eigentlich in Einklang mit dem Völkerrecht?
So vieles unklar in der juristischen Einschätzung von Sanktionen, Boykott und Blockade auch ist, Sanktionen mit dem Ziel eines »regime change« sind eindeutig rechtswidrig. Doch nur selten wird von den sanktionierenden Regierungen ein solches Ziel offen ausgesprochen – es wird sich also immer um einen sogenannten Indizienbeweis handeln.
»El bloqueo«, wie die Kubaner sie nennen, hat auch »extraterritoriale Auswirkungen« auf andere Länder. Was versteht man darunter, und gehörten eigentlich nicht auch die europäischen Regierungen auf die Anklagebank, die sich die Verletzung der Souveränität ihrer Länder gefallen lassen?
Extraterritoriale oder Drittwirkungen sind Auswirkungen gezielter Sanktionen, die Drittstaaten oder deren Unternehmen in Mitleidenschaft ziehen, obwohl das nicht immer von gezielten Sanktionen beabsichtigt ist. Darin unterscheiden sich offensichtlich die gegen Kuba und die z.B. gegen Syrien gerichteten Sanktionen. In der juristischen Bewertung macht das aber keinen Unterschied. Nur kann der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu einer unterschiedlichen Einschätzung der Drittwirkungen führen.
Zuletzt verschärfte US-Präsident Trump die Situation, indem er Kuba auf die Liste der den Terrorismus begünstigenden Staaten setzte. Zur Begründung hieß es, Kuba beherberge ausländische Terroristen, dabei handelte es sich um eine offizielle Delegation zu den innerkolumbianischen Friedensverhandlungen. Erhoffst Du Dir vom Ausgang des Tribunals mehr internationale Achtung vor dem Völkerrecht?
Das ist schwer einzuschätzen. Aus der Erfahrung der vergangenen Tribunale schätze ich den Lehr-Wert solcher Unternehmen eher skeptisch. Das letzte Tribunal, an dem ich teilnahm, war in Paris 2018. Es hat die Kriegsführung Erdogans gegen seine eigene kurdische Bevölkerung vornehmlich in Süd-Ost Anatolien, Nord-Kurdistan, untersucht und endete mit einer deutlichen Verurteilung Erdogans und seiner Militärführung. Der Lerneffekt bei dem Verurteilten wie bei den ihn unterstützenden Staaten – unter anderen die Bundesrepublik – war gleich null.
Das Tribunal wird getragen von den Solidaritätsbewegungen in Europa und den USA, zudem von Juristenorganisationen, US-Gewerkschaften und der Europäischen Linken. Das ist eine neue Qualität an Internationalismus. Steht das aus Deiner Sicht im Zusammenhang mit dem offensiveren Auftreten lateinamerikanischer Staaten gegenüber den USA und der EU?
Das mag sein. Entscheidender ist aber meiner Einschätzung nach, dass die Einsicht in die untragbare Situation, die der über 60 Jahre andauernde Boykott und die Empörung über die durch nichts zu rechtfertigende Politik aller US-Administrationen sich international auch über Lateinamerika hinaus durchgesetzt hat.
Hinzu kommt das Unverständnis darüber, dass außer einer alljährlichen Verurteilung der USA durch die UN-Generalversammlung kein sichtbarer Widerstand gegen diese zynische Gewalt gegen ein kleines Land, dem außer einer fortschrittlichen Politik im Dienste seiner Menschen nichts vorzuwerfen ist, aufgetreten ist.
Du bist bekannt dafür, dass Du mit Deiner juristischen Expertise an der Seite vieler von Kolonialismus und Imperialismus bedrängter Länder stehst. Du warst auch schon an der Freilassung der »Cuban Five« beteiligt, der fünf kubanischen Aufklärer, die wegen Aufdeckung von geplanten Terroranschlägen lange Haftstrafen in den USA abbüßen sollten. Nun also Vorsitzender Richter des Blockade-Tribunals. Was bewegt Dich, den Kampf so intensiv zu führen?
Das ist auch mir ein Rätsel, vor allem, weil ich bisher nichts habe bewegen können und mir diese Ausdauer nicht in die Wiege gelegt wurde. Es liegt wohl daran, dass Sisyphos mein Schutzpatron ist, auf den schon Günter Grass sich berief: »Auf ihn, der die Götter lästert, konnte ich mich allzeit verlassen: Sankt Sisyphos.«
Die Fragen stellte Kristian Glaser aus Hamburg.
Mit solidarischen Grüßen / Con saludos solidarios
Cuba Sí
AG in der Partei DIE LINKE
Kleine Alexanderstraße 28
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Tel. +49 30 24009-455
E-mail:
Web: www.cuba-si.org und http://www.die-linke.de