Interview mit Yamari Perez Viera, Botschaftsrätin der Republik Cuba in Bonn
Zum Verfassungsentwurf in Cuba hat EcoMujer Fragen an die neue Leiterin der Außenstelle der kubanischen Botschaft in Bonn Yamari Perez Viera gerichtet. Im Rundbrief 2018 sind ihre Antworten im spanischen Original abgedruckt, Die deutsche autorisierte Übersetzung des Artikels gibt es hier:
- Kann die neue Verfassung zur Geschlechtergerechtigkeit, die ja offiziell existiert, aber nicht überall Realität ist, beitragen? Ist die neue Verfassung ein Beitrag zu mehr Akzeptanz und Inklusion der Gruppe LGBTIQ?
Yamari: In dem Verfassungsentwurf springen als neue und progressive Elemente ins Auge: die Anerkennung unterschiedlicher Familientypen, das Verbot von Gewalt unter den Geschlechtern und in der Familie, die Eliminierung der Heterosexualität als notwendige Bedingung für die Ehe, die Anerkennung und der Schutz der Vaterschaft und der ausdrückliche Schutz sozialer Gruppen in einer Situation sozialer Verletzlichkeit.
Der Entwurf versucht sich mehr an das Cuba anzupassen, wie es heute ist und wie wir darin handeln, deshalb heißt man die Diversität willkommen und möchte gleichzeitig Gerechtigkeit bezöglich der Rechte und Möglichkeiten garantieren.
Es ist wichtig zu sagen, dass sich der Entwurf auf die Gleichheit aller Personen vor dem Gesetz fokussiert und die Diskriminierung aus Motiven des biologischen oder sozialen Geschlechts – eingeschlossen das soziale Geschlecht, denn vorher war nur vom biologischen Geschlecht die Rede – , der Rasse, Herkunft, der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität etc. verbietet. Das bedeutet, dass vor dem Gesetz alle gleich sind.
Dies heißt nicht, dass im Alltag keine Formen von Diskriminierung mehr existieren, und obwohl der Staat die Gleichheit fördert, sie vor dem Gesetz garantiert, und alle Fragen, die mit diesem Prinzip verbunden sind, unterstützt, kann er nicht die Subjektivität jeder Person kontrollieren. Die Vorurteile, Stereotypen und diskriminierenden Haltungen rühren aus dem Sozialisationsprozess, in dem noch viele Vorurteil sexistischer und anderer Art präsent sind.
- Ist es richtig, dass der neue Verfassungsentwurf den Einfluss der Kommunen stärkt und dadurch die Basis der Revolution stärker als vorher an politischen und sozialen Prozessen teilnimmt?
Yamari: Im Verfassungsentwurf gibt es eine ausdrückliche Anerkennung der Autonomie der Gemeinde, die nicht in derselben Form auftaucht wie in der aktuellen „carta magna“. Man erkennt sozusagen im neuen Vorschlag ausdrücklich an, dass die Gemeinde „Autonomie genießt und juristische Person ist“ und „dass sie mit eigenen Einkommen und den Mittelzuweisungen der Regierung haushaltet“.
Man erkennt außerdem an, dass die Autonomie der Gemeinde die Wahl ihrer Autoritäten, die Befugnis über die Nutzung ihrer Ressourcen zu entscheiden und die Ausübung ihrer entsprechenden Zuständigkeiten, beinhaltet.
Eine andere wichtige Frage wurzelt darin, dass man die Gemeinde als Teil eines Ganzen, welches die Nation ist, schätzt; also etabliert man die Autonomie in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Solidarität, Koordination und der Zusammenarbeit mit dem Rest der Territorien des Landes. Dieses passiert gesteuert, um eine gleiche ökonomische und soziale Entwicklung zwischen allen Geminden und Provinzen zu gewährleisten.
Hinsichtlich der Rechte auf Partizipation enthält der Entwurf Fortschritte im Vergleich zu der Verfassung von 1976. Zum Beispiel regelt man ausdrücklich das Recht des cubanischen Bürgers/der cubanischen Bürgerin an der Gestaltung, Ausübung und der Kontrolle der Staatsmacht teilzunehmen und – zum ersten Mal ist in diesem Recht eingeschlossen – die Teilnahme an Plebisziten und Volksbefragungen und das Recht auf Information bezüglich der Ausübung der staatlichen Organe und Autoritäten.
Trotzdem, unabhängig von den Vorschlägen, die sich in der Volksbefragung realisieren können und sollen, um die Rechte auf Partizipation zu erweitern und zu perfektionieren, bedeutet ihre Regelung schon einen Fortschritt bezüglich Demokratie.
Wenn wir den Entwurf von heute mit der „carta magna“ von 1976 vergleichen, erkennt man sofort den enormen Sprung, den der neue Vorschlag hinsichtlich der Anerkennung von Rechten enthält.
Es erweist sich als sehr schätzenswert, was das Land an sozialer Gerechtigkeit erreicht hat und so möchte man das heute in einem Grundgesetz festschreiben.
Auch hinsichtlich des Machtzuwachses der Lokalität zeigt sich eine humanistischere und demokratischere Alternative, weil man die Entscheidungsmöglichkeiten der Menschen bezüglich der Fragen, die sie selbst betreffen, erweitert: ihre Interessen, Notwendigkeiten und Bedürfnisse berücksichtigt man stärker, und ihr Bewußtsein kann positiv zu mehr Wirksamkeit und Erfolg der Entscheidungen beitragen.
Übersetzung: Astrid Schmied