Kubas internationale medizinische Hilfe
Kubas internationale medizinische Hilfe
von Klaus Piel, Humanitäre Cuba Hilfe Bochum (HCH)
Von 1963 (Algerien) bis 2018 waren insgesamt über 400.000 kubanische Gesundheitsexperten in 158 Ländern tätig. Sie behandelten 700 Millionen Patienten und führten 100 Millionen Entbindungen durch.
Kuba hat die meisten Einsätze auf eigene Rechnung durchgeführt, andere in Dreieckskooperation mit der WHO, wieder andere seit dem Jahr 2000 gegen Bezahlung von den Staaten, die es sich leisten konnten, wie z.B. Venezuela, Brasilien, Südafrika. Alles auf freiwilliger Basis.
Dabei war es grob so, dass die Ärzt*innen, Techniker, Pfleger*innen etwa ein Drittel des Geldes bekamen plus ihr Gehalt in Kuba, der kubanische Staat erhielt den Rest.
Kuba verwendet diese nicht unbedeutenden „Einnahmen“ aber nicht zur Bereicherung von Shareholdern sondern finanziert damit das eigene Gesundheitssystem, das allen Kubanern nahezu kostenfrei zur Verfügung steht, ferner das kostenlose Studium seiner jungen Menschen, internationale Missionen und dergleichen mehr .
2018 waren etwa 50.000 kubanische medizinische Spezialisten in 68 Ländern tätig, das sind gut 25 Prozent der im Medizinbereich Beschäftigten Kubas. Da sie auch in Gegenden mit hohem Gesundheitsrisiko tätig sind, müssen sie auf ihren Einsatz vorbereitet und nach dem Einsatz auch auf mögliche eingeschleppte Krankheiten untersucht werden, damit sich keine Epidemien in Kuba ausbreiten. Dabei hat die Insel auf Grund seiner Geografie schon genug mit tropischen Krankheiten zu tun.
Lange hatte das Land für diese Aufgabe nur ein einziges Zentrum, das Institut Pedro Kouri in Havanna, am ehesten vergleichbar mit dem Robert Koch Institut in Deutschland.
Da dieses Institut im Westen der Insel schon lange nicht mehr ausreicht, sind mit Hilfe des europäischen Netzwerkes mediCuba-Europa 2 weitere Zentren im Aufbau, in Villa Clara in der Mitte der Insel und in Santiago de Cuba im Osten.
Seit einigen Jahren ist die Humanitäre Cuba Hilfe der deutsche Vertreter von mediCuba-Europa und dort auch im Vorstand vertreten.
Unsere Hilfe besteht in der materiellen Erstausstattung mit modernen Laborgeräten und Reagenzien, der Schaffung einer EDV-Infrastruktur, der Modernisierung des Probeversands und Schulungen. Es ist ein Projekt mit einer Laufzeit von 5 Jahren und einer Projektsumme von etwa 2,5 Millionen €.
Auch bei der Beschaffung von Schutzkleidung, Laborkits und Beatmungsgeräten im Wert von 500.000€ hilft mediCuba-Europa Kuba in der Coronakrise durch eine weitere Spendenaktion.
Wie wichtig dieses mikrobiologische Projekt ist, kann man spätestens jetzt in der Coronapandemie sehen, die Kuba vorbildlich meistert.
Beispiele der kubanischen medizinischen Süd-Süd-Kooperation:
- Beispiel: In Haiti leistete das kubanische Kontingent nach dem verheerendem Erdbeben 2010 und dem Choleraausbruch kurz darauf wirklich Bemerkenswertes. Wir haben auf einer Rundreise 2011 darüber berichtet. Während die USA Soldaten schickte, entsandte Kuba medizinisches Personal, das das bereits vor Ort vorhandene verstärkte und Haiti mit einem Netz von Gesundheitsposten überzog.
Und sie hatten die besten Ergebnisse aller Helfer. Und sie sind immer noch da!!
- Beispiel: In Pakistan stellte Kuba nach dem schweren Erdbeben 2005 das größte ausländische Kontingent mit 34 Lazaretten und ca. 2.000 kubanischen medizinischen Fachkräften. Und es war schon ein bizarres Bild, Kubaner dick vermummt durch den Schnee stapfen zu sehen, um Menschen in Not in entlegenen Dörfern zu Hilfe zu kommen und sie anschließend zu den Sammelstellen zu bringen.
- Beispiel: Kuba behandelte (in TARARA) seit 1990 knapp 30.000 Tschernobyl-Opfer auf der Insel kostenlos, überwiegend Kinder, die nicht selten an Krebs erkrankt waren. Und dies ungeachtet der politischen Entwicklung in der Ukraine bis heute.
- Beispiel: An der Lateinamerikanischen Hochschule für Medizin in Havanna, der ELAM, Escuela Latinoamericana de Medicina, wurden bisher etwa 30.000 Medizinstudenten aus über 80 Ländern ausgebildet, kostenloses Wohnen, Verpflegung, Lernmaterialien meist inklusive.
- Beispiel: Etwa 5 Millionen Menschen v.a. aus Lateinamerika und der Karibik erhielten durch kostenlose Augenoperationen ihr Sehvermögen zurück, ein unglaubliches Geschenk. Meist handelte es sich um die OP0 des grauen Stars und eine Kunstlinsenimplantation. Das Projekt heisst, nicht wirklich überraschend, Operación Milagro, Oparation Wunder. Denn ein Wunder war es für die Patienten.
- Beispiel: In Brasilien waren von 2013 bis Ende 2018 20.000 kubanische Ärzt*innen im Rahmen des Programmes „Mais Médicos“ tätig, welche in fünf Jahren mehr als 113 Millionen Patienten behandelten. Sie wurden ähnlich wie Ihre Kolleg*innen in Bolivien und Ekuador aus politischen Gründen auf Betreiben der USA von den rechtsgewendetet Regierungen dieser Länder quasi aus dem Land geworfen. Und dies mit erheblichen negativen Folgen für die betroffene arme Bevölkerung, wie man jetzt spätestens in der Coronakrise an den Erkrankungs- und Sterberaten leicht sehen kann.
- Beispiel: In Westafrika konnten die Kubaner– selbst unerfahren im Umgang mit Ebola– 2014-2015 viele Erkrankte retten und die Mortalitätsrate halbieren. Dort hatte Kuba ein Team der Brigade Henry Reeve im Einsatz, die seit 2005 weltweit in von Naturkatastrophen und gravierenden Epidemien heimgesuchten Ländern hilft.
Diese Brigade, benannt nach einem US-Amerikaner, der im 19.Jh. im Befreiungskrieg gegen Spanien auf der Seite Kubas kämpfte und fiel, wurde nach dem Hurrican Katrina von Fidel Castro gegründet, um den Menschen in dem überfluteten New Orleans zu helfen. Aber diese angebotene Hilfe konnte und wollte der damalige Präsident Bush nicht annehmen.
Durch die Brigade Henry Reeve und dank des Einsatzes von bisher 7.300 medizinischen Fachkräften konnten bis 2018 3,5 Millionen Menschen in 19 Ländern ärztlich betreut und 80.000 Leben gerettet werden.
Nicht zu vergessen sei ihr globaler Einsatz im Kampf gegen COVID-19 in diesem Jahr. Weltweit kämpften und kämpfen mehr als 30 Brigaden mit mehr als 2.500 Fachkräften gegen diese Pandemie, Grund genug sie aktuell erneut zum Friedensnobelpreis vorzuschlagen. Das meint auch die WHO.
Aber auch im eigenen Land leistet Kuba Beachtliches und lässt die Gesundheitsversorgung in den USA nicht nur in Pandemiezeiten alt aussehen. So lag die Kindersterblichkeit bis zum 1. Lebensjahr laut CIA- Factbook für 2018 in den USA bei 5,7/1000, in Kuba nur bei 4,4 /1000. Die Sterblichkeit der Farbigen in den USA war sogar doppelt so hoch. Und dabei beträgt das Gesundheitsbudget in Kuba nur um die 4% von dem der USA.
Rechtzeitige präventive Maßnahmen führten in der Coronapandemie dazu, dass es bis Ende Mai 2020 in Kuba nur 173 Infizierte pro 1 Million Einwohner gab und keinen Todesfall beim medizinischen Personal. In GB gab es stattdessen bis Ende Mai 3900 bestätigte Fälle pro 1 Million, also gut 20 mal so viel. In den USA waren es deutlich mehr. Aber Kuba hatte auch Erfolg mit selbst entwickelten Medikamenten und konnte nach eigenen Angaben 80 % der Patienten, die schwerst an COVID-19 erkrankten, retten, während im weltweiten Durchschnitt 80 % der schwer Erkrankten starben.
Die durch das neue Coronarvirus ausgelöste Pandemie hat die Dogmen neoliberaler Politik schwer erschüttert: die Privatisierungen von Gemeingut und das Schrumpfen des öffentlichen Sektors, die Deregulierungen, der zunehmende Rückzug des Staates aus der Daseinsvorsorge und Teilhabemöglichkeit seiner Bürger und die Überlassung dieses Sektors dem großen Geld.
Ganz anders Kuba.
In Kuba garantiert der Staat seinen Bürgern trotz der Krise den kostenlosen Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung, kümmert sich in hohem Maße um ein bezahlbares Verkehrssystem, Wohnraum, um Umweltfragen, sauberes Trinkwasser und Ernährung und führt eine ständige Debatte über ethische Prinzipien, die man bei uns vermisst. Nicht alles ist rosig in Kuba, durchaus manches noch verbesserungswürdig. Aber sie sind auf einem guten Weg.
Wenn man über die Pandemie spricht und über Kubas medizinische Missionen weltweit, muss man auch die infame Rolle der USA erwähnen.
Die USA haben in der Vergangenheit keine Mittel gescheut, Kuba zu schwächen bzw. einen Regime Change herbeizuführen. Seit 6o Jahren unterliegt das Land der längsten und grausamsten Blockade der Neuzeit.
Seit gut einem Jahr versucht die Trump-Administration, die Insel nahezu komplett von der Versorgung mit Treibstoff abzuschneiden. Auch die Lieferung von Lebensmitteln, Medikamenten, medizinischen Geräten wie Beatmungsgeräten, Schutzkleidung und wichtigen Laborreagenzien wird mit allen Mitteln blockiert, ein ungeheuerlicher Vorgang, gerade in Coronazeiten. Aber dagegen regt sich erfreulicherweise weltweiter Widerstand.
Die USA haben auch die medizinischen Einsätze Kubas angegriffen und mit einem hohen Budget kubanische Mediziner*innen bei internationalen Hilfseinsätzen abgeworben. Später wurden Kubas Weißkittel auch als Aufrührer und Geheimagenten diffamiert. Die Regierung von Donald Trump hat die Attacken gegen die medizinischen Missionen Kubas erneuert und dazu angestiftet, sie aus Brasilien, Ecuador und Bolivien auszuweisen, was Millionen von Menschen in diesen Ländern nun ohne gesundheitliche Betreuung zurücklässt.
Das Motiv ist das Gleiche: Einnahmen eines Landes zu blockieren, das 60 Jahre lang US-amerikanische Feindseligkeiten überlebt hat. Aus diesem Grunde sollen jetzt auch die Länder sanktioniert werden, die medizinisches Personal aus Kuba anfordern.
Außerdem werfen die USA Kuba vor, mit der Entsendung der Mediziner* innen Menschenhandel zu betreiben, ein absurder Vorwurf. Aber diese Desinformationskampagne läuft sehr intensiv und mit einem großen Budget und wird von vielen Medien auch bei uns aufgegriffen.
Und ich denke, nichts kann diese Kampagne besser entlarven als der Film „Por la vida“, der die Motivation der kubanischem Ärztinnen und Ärzte sowie ihr menschliches und ärztliches Selbstverständnis herausarbeitet und zeigt, wie tief sie durch das humanistische Vorbild Fidel Castros und die Utopie Che Guevaras vom Neuen Menschen geprägt sind. Einige dieser besonderen Menschen waren mit uns auf Vortragsreisen in Deutschland und der Schweiz und konnten authentisch über ihre und Kubas Rolle bei den internationalen Einsätzen, sei es in Haiti, Brasilien oder Westafrika im Kampf gegen Ebola berichten
Bochum im Juli 2020
Klaus Piel