Ökofeminismus
Ökofeminismus
Von Astrid Schmied*, Juni 2021
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Was ist Ökofeminismus?
Bei Wikipedia ist zu lesen: „Als Ökofeminismus werden soziale und politische Bewegungen und Philosophien bezeichnet, die ökologische Fragen und Anliegen mit feministischer Analyse verbinden.
Ökofeministische Ansätze gehen von der strukturellen Ähnlichkeit der Beherrschung der Natur und der Frauen bzw. der weiblichen Reproduktionsfähigkeit und Produktivität aus.“[1]
Etwas genauer und systemkritischer formuliert Maria Mies, ehemalige Professorin für Soziologie an der Fachhochschule Köln in ihrem 2016 wiederaufgelegten Buch „Ökofeminismus“: „Das patriarchalisch-kapitalistische System hat seine Herrschaft von Anfang an auf die Ausbeutung und Unterwerfung der Natur, fremder Länder und der Frauen aufgebaut. […] Ziel dieser Kolonialisierung ist die Gewinnung unbegrenzter Macht einer Elite über alles Lebendige und Unbelebte.[2]“
Die Mittel, durch die dieses Herrschaftssystem aufgebaut wurde und erhalten wird, seien die direkte und indirekte Gewalt. Ziele dieser Kolonialisierung sei bis heute die grenzenlose Anhäufung von immer mehr Geld und Reichtum in den Händen weniger, grenzenloses Wachstum genannt.
„Ökofeministinnen verbindet auf der ganzen Welt, dass sie den Zusammenhang zwischen der Gewalt, die Frauen angetan wird und der Gealt gegen die Natur erkannt haben.[3]“
Das ökofeministische Denken ist ein ganzheitliches: Mensch, Natur und Umwelt bilden eine Einheit – der Mensch ist Teil der Natur; indigene Völker leben nach diesem Prinzip, Natur und Umwelt sind zu schützen, weil sie die Lebensgrundlage des Menschen als Spezies sind.
Patriarchal-kapitalistisches Denken hingegen sieht den Menschen getrennt von der Natur. Diese wird verändert, beherrscht, ausgebeutet, unterworfen bis zur Zerstörung, und damit einher geht die Zerstörung der eigenen Lebensgrundlage. An diesem Punkt sind wir heute.
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Die Anfänge und der Ökofeminismus heute
Der Ökofeminismus geht bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Auslöser waren schlimme Umweltstrophen wie z.B. der Reaktorunfall in Tschernobyl. Es gab Anhängerinnen in den USA, Europa, Kanada; aber auch in der sog. 3. Welt, wo Umweltbewegungen entstanden, die von Frauen initiiert und getragen wurden, vor allem in Kenia und Indien. In den 90er Jahren wurde Vandana Shiva berühmt, weil sie mit 10 000en Frauen gegen die Abholzung von Urwäldern durch Konzerne kämpfte.
Heute gibt es viele unterschiedliche ökofeministische Ansätze. Gemeinsam jedoch ist allen die Forderung nach einer Neudefinition des Naturbegriffs.
Leider werden Frauen heute oft bedroht, wenn sie sich für Umwelt und Klimaschutz einsetzen, sie werden regelmäßig in den sozialen Medien beschimpft und müssen in politisch instabilen Regionen um ihr Leben fürchten. In Honduras wurde 2016 die Umweltschützerin Berta Caceres ermordet.
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Die Gruppe EcoMujer und Ökofeminismus
Schon im März 1996 hielt die compañera Monika Schierenberg von EcoMujer Deutschland in Pinar del Rio auf dem Evento internacional EcoMujer einen Vortrag zum Thema: Ökofeminismus – sind die Frauen die besseren Naturschützerinnen?
Ich freue mich besonders, dass ich im Jahr 2021, im 25. Jubiläumsjahr von EcoMujer zum selben Thema sprechen kann. Das ist Grund zur Freude, zumal der Name unserer Gruppe „EcoMujer – Frauen und Umwelt“ schon 1996 den Zusammenhang von beidem herstellt und betont. Ich habe Monikas Referat noch einmal gelesen. Es hat nicht an Aktualität verloren, wie eine Textstelle zeigt: „Frauen fühlen sich der Umwelt gegenüber auch deswegen mehr verantwortlich, weil ihnen die Gesellschaft die Bereiche Erziehung, Ernährung, Gesundheit, das Wohlbefinden der Familie und jetzt auch noch explizit die Ökologie zuweist.“[4]
Traurig macht mich, dass der Zustand der Welt nicht besser geworden ist. Die Umweltzerstörung, die Industrialisierung der Landwirtschaft, die Abholzung der Wälder, das Artensterben,die Extremwetterlagen, die Erderwärmung haben in einem rasanten Tempo zugenommen, sodass unser Planet kurz vor dem Kollaps steht.
Um so wichtiger ist schnelles Handeln und der Einsatz der produktiven Energie von uns Frauen!
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Eine aktuelle Frage des Ökofeminismus ist:
Warum sind Frauen und Mädchen durch den Klimawandel besonders betroffen?
Ich kann nur kurz zusammenfassen, was Untersuchungen, Beobachtungen und wissenschaftliche Daten zeigen:
- Die Folgen des Klimawandels treffen die Frauen im globalen Süden besonders hart.
- Frauen und Mädchen sind höheren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Wenn Nahrung knapp wird, wird diese eher an Jungen und Männer verteilt.
- in mit dem Klimawandel einhergehenden Katastrophen ist oft der Zugang zu Verhütungsmitteln, gynäkologischer Versorgung und Geburtshilfe eingeschränkt.
- Oft sind Notunterkünfte, die bei Flucht oder Evakuierung aufgesucht werden müssen, nicht auf die Bedürfnisse von Frauen ausgelegt (Fehlen von Privatsphäre und separater Waschräume); die Gewalt gegen Frauen nimmt so zu.
- Frauen sind oft ärmer als Männer. Sie haben weniger Landbesitz, Zugang zu landwirtschaftlichen Geräten und Saatgut.
- Viele Frauen, die Subsistenzwirtschaft (Selbstversorgung) betreiben, wurden durch die neoliberale Wirtschaftspolitik verdrängt, auf immer schlechtere Böden, sie sind dadurch von den Klimawandelfolgen besonders betroffen.
- Frauen haben oft weniger Bildungschancen als Männer und damit weniger Informationen z. B. über anderes Saatgut oder landwirtschaftliche Methoden, die helfen können, sich dem Klimawandel anzupassen.
Frauen sind weltweit aber auch erfinderisch und in Projekten gegen den Klimawandel aktiv, wie ein Beispiel aus Malawi, einem relativ kleinen ostafrikanischen Land zeigt.
Mehr als 90 % der Landbevölkerung in Malawi kocht über offenem Feuer. Die traditionellen Feuerstellen verbrauchen große Mengen Brennholz und verursachen gesundheitsschädlichen Rauch. In Kenia wurden neue Kocher entwickelt, die nur die halbe Menge Holz verbrauchen, damit die Haushaltskasse der Einwohner schonen, die Klimabilanz verbessern, weil weniger Bäume gefällt werden müssen und diese weniger Rauch produzieren.
Ein Frauenprojekt in Malawi baut die Kocher selbst, sorgt für Vermarktung und Verkauf und zeigt den Menschen in den Dörfern, wie sie funktionieren.
Klimabilanz: 1,5 Tonnen CO2 Emission weniger pro Ofen und Jahr
Einkommen: 540 000 Euro pro Jahr durch Emissionshandel
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Schlussfolgerungen
Vandana Shiva schlägt in einem vor kurzem gegebenen Interview den Ökofeminismus als Antwort vor für die 10 Jahre, die wir jetzt noch haben, um die Richtung zu ändern und um uns von der Kolonialisierung des Patriarchats zu befreien.
3 Punkte sind ihr dabei sehr wichtig:
- Selbstorganisation
Die repräsentative Demokratie lässt die Erde und die Menschheit im Stich und der Einfluss von Wahlen ist sehr klein im Verhältnis zu den großen Lobbys mit viel Geld.
Wir müssen also die Veränderung sein, dort, wo wir sind.
- Schaffung von lebenden Ökonomien
Wir müssen die Wirtschaft, die uns höchste Treibhausgasemissionen beschert hat, wieder lokalisieren und ökologisieren.
- die Macht des Bewusstseins, die Macht der Wahrheit
Wir sollen uns nicht ohnmächtig fühlen, sondern den Kampf aktiv aufnehmen, z.B. gegen die Monsantos dieser Welt, um das Saatgut zu retten. …
„Die Nichtakzeptanz von Ungerechtigkeit, von brutalen gewaltvollen Gesetzen ist daher der höchste Ausdruck unseres Menschseins und der höchste Ausdruck unserer Freiheit“. [5]
Vandana Shiva spricht den indigenen Völkern eine bedeutende Rolle zu – sie müssten wichtige Brücken in die Zukunft sein.
* Astrid Schmied, Sprecherin der Gruppe EcoMujer
Den Text habe ich auf 10 Minuten gekürzt und als Audio nach Cuba geschickt. Anlass war der 8. Workshop MAGEDES am 05. Juni 2021 (Tag der Umwelt), veranstaltet von der Universität in Consolacion del Sur, auf dem ca. 60 Audios oder Plakate zu wichtigen aktuellen Umweltthemen zu hören oder zu sehen waren; veranstaltet per Whatsapp.
MAGEDES: Medio Ambiente Genero y Desarollo Sostenible – Umwelt, Geschlecht und nachhaltige Entwicklung
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96kofeminismus aufgerufen 12.06.2021
[2] Maria Mies / Vandana Shiva: ÖKOFEMINISMUS Die Befreiung der Frauen, der Natur und unterdrückter Völker
komplett überarbeitete und aktualisierte Neuaufl age – 2016 ISBN 978-3-945959-15-2 I 350 Seiten – 28,00 Euro
[3] Maria Mies / Vandana Shiva: ÖKOFEMINISMUS, …
[4] Broschüre EcoMujer 96 Internationale Konferenz Frauen und Umwelt 6.-9. März1996
[5] https://www.pressenza.com/de/2021/04/frauen-die-die-zukunft-gestalten-vandana-shiva/