Wie hängen Pandemien, Umweltzerstörung und Klimawandel zusammen?
Webinario / Hybride Veranstaltung Cuba mischt sich ein bei Klimafragen am 18. März 2022
Astrid Schmid, Ecomujer, Düsseldorf
Wie hängen Pandemien, Umweltzerstörung und Klimawandel zusammen?
Anfang Dezember 2020 referiert der UN-Generalsekretär Antonio Guterres an der Columbia Universität in New York zum Zustand der Erde: „Um es einfach auszudrücken: Der Planet ist kaputt. Liebe Freunde, die Menschheit führt einen Krieg gegen die Natur. Das ist Selbstmord. Die Natur schlägt immer zurück, und sie zut es bereits mit wachsender Kraft und Wut.“
Während sich die ganze Welt um die Bekämpfung der Coronakrise kümmert, um angeschlagene Volkswirtschaften, um das Impfen und Testen, formuliert Guterres unmissverständlich, worauf auch Eissenschaftlerinnen seit Jahren hinweisen: Dass es enge Zusammenhänge gibt zwischen dem voranschreitenden Klimawandel, der exzessiven Tiernutzung und einem dadurch stark erhöhten Pandemierisiko.
1. Erderwärmung
Die steigenden Emissionen von Treibhausgasen befördern eine Verschiebung der Ökosysteme. Fledermäuse haben sich inzwischen in Regionen verbreitet, wo sie vorher nicht vorkamen, inklusive der in ihnen vorhandenen Coronaviren.
Fledermäuse sind Träger von über 3000 verschiedenen Corona-Viren. Die meisten von ihnen können nicht ohne weiteres auf den Menschen übergehen. Innerhalb dieser Vielfalt gelingt es jedoch einigen Vertretern auf den Menschen überzuspringen. Es handelt sich dabei um sog. zoonotische Erreger. Es sind Erreger, die von Wirbeltieren auf Menschen übertragen werden. Diese Zoonose ist beim Sars-Ausbruch 2002/2003 das erste Mal passiert. Dann kam Mers-Cov und jetzt haben wir Sars-Corona-Virus2. Wobei immer noch unklar ist, ob das Virus direkt auf den Menschen übergesprungen ist oder noch ein Marderhund oder ein südchinesisches Schuppentier dazwischengeschaltet war.
Auch in Zukunft ist damit zu rechnen, dass es verwandten Corona-Viren gelingt, den Menschen als neuen Wirt zu erobern.
Infos aus einem Interview mit Prof. Dr. Jonas Chanasit, Virologe an der Uni Hamburg.
Eine Studie von Wissenschaftler:innen der Uni Cambridge, des Potsdaminstituts für Klimafolgenforschung und der Uni Hawai-Manoa, die sich mit den Habitaten der Fledermaus beschäftigt, fand heraus, dass in der südchinesischen Provinz und in Gebieten von Laos und Myanmar tropisches Buschland durch Savannen und Laubwald verdrängt wurde. Das hat die Ausbreitung zahlloser Fledermausarten ermöglicht, durch die rund 100 neue Arten von Corona-Viren in die Region kamen. Wahrscheinlich ist Sars CoV 2 genau in dieser Region zum ersten Mal aufgetreten.
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts gab es noch klar begrenzte Habitate, die sich durch den Klimawandel sprich Erderwärmung, verschoben haben.
Das ist heute anders: Das Potenzial, dass ein neuartiges Virus, das in einem Wildtier zirkuliert, auf menschliche Populationen übergreift, nimmt im 21. Jahrhundert stetig zu, meinen Wissenschaftlerinnen.
2. Abholzung der letzten tropischen Urwälder
Auch das starke Bevölkerungswachstum von derzeit 80 Millionen Menschen jährlich, trägt dazu bei, dass die Übersprungsrisiken von Viren steigen. Menschen dringen immer weiter in die Habitate von Tieren vor, um für sich selbst neue Lebensräume zu schaffen oder die Flächen zum Anbau von Nahrungsmitteln zu nutzen.
Ein typisches Beispiel hierfür ist das Ebola-Virus. Hier hat der Mensch massiv in den Lebensraum der Wildtiere eingegriffen, ihn vernichtet, indem er Plantagen angelegt hat oder Massentierhaltung betreibt. Es sind übrigens wieder neue Fälle vom Ebola-Virus in der Republik Kongo aufgetreten.
Von der Abholzung der letzten Tropischen Urwälder, die ja die letzten großen Wildtierhabitate sind, geht also ein virologisches Risiko aus.
„Überall dort, wo Wildtiere aus ihren angestammten Habitaten verdrängt werden und in andere Bereiche wechseln, entstehen neue Kontakte und genau das ist das Problem. Es existiert eine Konkurrenz zwischen Mensch und Tier um die knapper werdenden Ressourcen. Wir sind Reiseweltmeister, es gibt ja kaum noch unentdeckte Flecken auf der Erde, der Warenhandel hat sich intensiviert. Alles keine guten Optionen für uns im Kampf gegen die Viren …“ (Prof. Dr. Chansit)
Laut Bericht der FAO, der Ernährungs- und Landwirschaftsorganisation der Vereinten Nationen sind seit 1990 weltweit schätzungsweise 420 Millionen Hektar Waldfläche verloren gegangen – eine Fläche fast 12 mal so groß wie Deutschland.
3. Trockenheit und Brände
Die Ursache ist der Mensch, der die Treibhausgase emittiert, was zu entsprechenden Veränderungen führt und die wieder sind die Ursache für die Entstehung verheerender Brände. CO2 ist das am meisten freigesetzte Treibhausgas wie wir alle wissen. 1990 wurden gut 22 Milliarden Tonnen emittiert, 2019 waren es schon 36 Milliarden Tonnen.
Umweltforscher Settele stellt 2021 im Deutschlandfunk folgenden Zusammenhang her: „wir sehen zum Beispiel, dass durch die Klimakrise Regionen der Welt austrocknen, es dann zu Feuern kommt und damit entsprechend die Bestände der Natur in ihrer Vielfalt reduziert werden. Wenn wir diese Reduktion haben, haben wir Bedingungen, die es bestimmten Arten ermöglichen, sich gut auszubreiten. Wenn es dann entsprechende Arten sind, die auch noch Viren beinhalten, die sich dann praktisch besser entwickeln können, dann haben wir erst einmal mehr Chancen für verschiedene Viren.“
Hinzu kommt: Die angegriffenen Ökosysteme sind nicht mehr widerstandsfähig genug, um solche Veränderungen abzufedern. Umweltforscher Settele spricht von einer Triple-Krise aus Klimawandel, Artensterben und Pandemien.
4. Massentierhaltung
Haltung und Verarbeitung von Tieren machen lt. UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation 14,5 % der weltweiten Treibhausgasemissionen aus. Am schädlichsten ist die Rinderhaltung, auch wegen des hohen Wasserverbrauchs, der in der Produktionskette von Rindfleisch anfällt.
Wie wir wissen, ist die Massentierhaltung auch noch aus anderen Gründen höchst bedenklich:
- aus ethischen Gründen (Tierwohl, Haltung und Transporte)
- die Massentierhaltung bietet Viren und anderen Erregern gute Bedingungen, um in kurzer Zeit den kompletten Stall zu infizieren
- die Behandlung der Tiere mit Antibiotika: Die Erreger können Anpassungen an Antibiotika entwickeln, die daraufhin ihre Wirksamkeit für Mensch und Tier verlieren
Um einen natürlichen Schutz vor Infektionskrankheiten zu erreichen, ist genetische Vielfalt unerlässlich – doch gibt es durch die Massentierhaltung immer mehr genetisch ähnliche Tiere. Diese sind wegen des kleinen Genpools innerhalb der Zuchten anfälliger für Infektionen. Der Virologe Alexander Kekule verdeutlicht das mit der Spanischen Grippe: Als die Krankheit 1918 grassierte, infizierten sich auch Schweine mit dem Virus. Durch die industrielle Zucht blieb das Virus in Generationen von Schweinen erhalten und kombinierte sich schließlich mit einem anderen Virus zu einem neuen Erreger, der die Schweinegrippe 2009 auslöste.
Wir müssten die Produktion von Fleisch, Milch und Eiern drastisch reduzieren und unsere Ernährungsgewohnheiten fast völlig umstellen, und das weltweit. Das hätte zur Folge, dass wir weniger Land beanspruchen und damit weniger Risiken für Pandemien wegen Naturzerstörung hätten.
Zumindest ist die bisher übliche Nutztierhaltung nicht zu rechtfertigen.
5. Wildtierhandel
Bei der Frage, wie der Mensch Pandemien produziert, stößt man bei der Recherche auch auf den Handel mit Wildtieren.
In vielen Regionen der Erde werden Wildtiere gejagt, verkauft und verzehrt. Über den Handel können sich Zoonosen leicht vom Tier auf den Menschen übertragen. Jägerinnen kommen in direkten Kontakt mit den Tieren, aber auch Menschen, die auf Märkten arbeiten oder da, wo Tiere geschlachtet werden.
Durch den großen internationalen Markt für Wildtiere werden manche Arten immer stärker bejagt. Ihr Bestand kann sich nicht erholen und das Überlebender Art ist gefährdet. Mit dem allmählichen Verschwinden dringen Jäger:innen immer tiefer in Ökosysteme vor, mit denen Menschen vorher kaum Kontakt hatten. So erhöht sich das Risiko der Infektion mit Zoonosen.
Wildtierhandel ist allerdings in manchen Regionen kulturell tief verwurzelt. Beispielsweise greift die traditionelle chinesische Medizin auf viele Wildtierarten zurück. Da einzugreifen ist ein schwieriges und langwieriges Unterfangen. Bei einem Verbot könnte sich der Wildtierhandel in die Illegalität verschieben und trotzdem stattfinden. Deshalb müsste man mit anderen Mitteln gegen die Verbreitung der Erreger vorgehen, z. B. durch schnelle Tests, wenn Verdachtsfälle auftreten.
6. Von den indigenen Völkern lernen
„Indigene Völker haben unverhältnismäßig stark unter den wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid-19 gelitten, doch sie verfügen über wesentliches Wissen für den Wiederaufbau einer nachhaltigeren und widerstandsfähigeren Welt nach der Pandemie, die frei von Hunger und Armut ist“, sagte Gilbert F. Houngbo, Präsident des Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) der Vereinten Nationen bei der Eröffnung des 5. globalen Treffens des Forums für indigene Völker im Februar 2021, an dem 154 indigene Führungspersönlichkeiten aus 57 Ländern teilgenommen haben.
Der Präsident weiter: „Wir wissen, dass wir dies nur gemeinsam mit den indigenen Völkern erreichen können – die sowohl Hüter der Natur als auch eines riesigen Reservoirs an traditionellem Wissen auf der ganzen Welt sind“.
Die Covid-19 Pandemie stellt eine ernste Bedrohung für indigene Völker dar und trifft ihre Kommunen unverhältnismäßig stark. Der Zugang zu Nahrung und sicherem Wasser hat sich verschlechtert, lokale und traditionelle Ökonomien wurden durch Abriegelungen und Quarantäneregeln gestört.
Vor allem Kommunen, denen Landrechte verweigert werden oder die keine Selbstbestimmung über ihre Territorien haben, können keine oder weniger Nahrungsmittel produzieren, verlieren ihre Lebensgrundlage und die Fähigkeit zur Selbsterhaltung.
Dennoch haben indigene Völker ihre eigenen Lösungen angewandt, um mit der Pandemie fertig zu werden. Ihr Lebensstil, ihre Nahrungsmittelsysteme, ihre Kultur und die Verbindung zu ihrem Land waren eine große Quelle der Widerstandsfähigkeit angesichts von Covid 19. Sie haben mit eigenem traditionellem Wissen und Praktiken gehandelt einschließlich der freiwilligen Isolation und der Abriegelung ihrer Gebiete sowie der Anwendung von präventiven Pflegemaßnahmen in ihren eigenen Sprachen.
Und noch einmal der Präsident: „Das Einbringen von indigenem Wissen und Praktiken kann neue und kreative Lösungen für die Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, anspornen, insbesondere für den Klimawandel. Und es kann helfen, schlechte Praktiken zu beenden, die indigenen Völkern und der Natur schaden“.
Ich hoffe sehr, dass indigene Völker in der nahen Zukunft eine entscheidende Rolle als Verwalterinnen der Umwelt spielen, da 80 % der weltweit verbliebenen Biodiversität auf indigenen Territorien zu finden sind.
Quellen im Internet:
https://www.deutschlandfunk.de/klima-tiere-zoonosen-welche-verantwortung-der-mensch-fuer-100.html
www.ndr.de/wissen/ studie-zoonosen durch umweltzerstörung
http://www.bpb.de/innenpolitik/coronavirus/308483/pandemien-umwelt-und-klima
www.regenwald.org/news/10056/klimakatastrophe und Covid 19